Einschränkungen technischer Natur bremsen die Kommerzialisierung von CRISPR-Pflanzen aus. Bild: Shutterstock
Es seien die hemmenden gesetzlichen Vorschriften, die verhindern, dass die neue Gentechnik ihre Versprechen einlösen könne, verkünden die Lobbyisten der Biotechnologie und die mit ihr verbandelten politischen Kreise ständig. Nun stellen argentinische Regierungswissenschaftler in einem kürzlich veröffentlichten Artikel fest, dass nicht das Gesetz, sondern eher technische Einschränkungen zu Verzögerungen bei der Kommerzialisierung führen. Wissenschaftler hätten Schwierigkeiten, wünschenswerte Eigenschaften in Pflanzen einzubringen und marktfähige Pflanzenlinien auf den Markt zu bringen. Dass ausgerechnet Regierungswissenschaftler auf dieses Ergebnis kommen, ist deswegen höchst überraschend, da Argentinien die Anwendung der neuen Gentechnik in der Landwirtschaft bereits dereguliert hat.
Ähnliche Hindernisse nennt auch ein neues Factsheet der SAG und listet verschiedene zusätzlichen Bremsen auf, welche den Weg vom Labor aufs Feld verlängern. Denn die die neue Gentechnik setzt im Vergleich zur herkömmlichen Züchtung ein ungleich höheres Mass an genomischem und bioinformatischem Wissen voraus. Dieses Wissen zu erschaffen, ist zeitaufwendig. Grundsätzlich gilt: Das CRISPRen kann nur dann schnell sein, wenn Züchtende wissen, welche(s) Gen(e) im Erbgut einer Sorte sie wie editieren müssen.
Technische Probleme bei der Einbringung gentechnisch veränderter Merkmale in Pflanzen
Die Autoren des in der Zeitschrift Plant Science publizierten Artikels mit dem Titel "Multiple challenges in the development of commercial crops using CRISPR/Cas technology", erklären, dass die kommerzielle Rentabilität von herbizidtoleranten und insektiziden Bt-Pflanzen, die mittels klassischer Gentechnik entstanden durch drei Faktoren ermöglicht wurde:
1. Herbizidtoleranz und Insektizidproduktion sind einfache Merkmale, die sich leicht und kostengünstig in Pflanzen einbauen lassen.
2. Es ist leicht zu überprüfen, ob die Merkmale stabil in kommerziell nutzbare, leistungsstarke Pflanzensorten (sog. Elitesorten) integriert wurden, was die Kosten der molekularen Analyse reduziert.
3. Es handelt sich um dominante Merkmale, d. h. sie treten mit Sicherheit in den Nachkommen auf, wenn einer der Elternteile sie trägt.
Die Autoren stellen jedoch fest, dass diese drei Merkmale sowohl bei älteren transgenen als auch bei mit neuer Gentechnik veränderten Merkmalen nur selten zusammen vorkommen.
Technische Probleme bei der Herstellung kommerziell nutzbarer editierter Sorten
Die Autoren weisen darauf hin, dass "in der wissenschaftlichen Gemeinschaft die Überzeugung vorherrscht", dass durch die direkte Veränderung von Elitesorten mit der Genschere die langwierigen Prozesse der Übertragung des gewünschten genetischen Materials und der Entwicklung einer lebensfähigen kommerziellen Sorte vermieden werden, welche die Entwicklung von klassischen GVO behindert haben.
Dies sei sicherlich die meistgehörte Behauptung der Promotoren einer Deregulierung, schreibt die Organisation GMWatch. Doch sie sei falsch, erklären nun die Autoren des eingangs erwähnten Artikels. Genau wie bei älteren GVO-Pflanzen müssten die Entwickler neuer gentechnisch veränderter Pflanzen sicherstellen, dass die veränderte Eigenschaft über mehrere Generationen hinweg stabil ausgeprägt ist, dass die Eigenschaft zuverlässig vererbt wird, dass unerwünschte Eigenschaften, wie z. B. Wachstumseinbussen, aufgrund der unvorhersehbaren genomweiten Auswirkungen der genetischen Transformation (Pleiotropie) ausbleiben und dass unerwünschte Auswirkungen aufgrund unbeabsichtigter Chromosomenumlagerungen ausbleiben. (Siehe auch das SAG-Factsheet «Wie schnell ist CRISPR?».)
Der Prozess der "Optimierung der Transformation eines bestimmten Elite-Keimplasmas, der Erzeugung und Charakterisierung editierter Ereignisse unter Feldbedingungen, der Saatgutvermehrung und der Sortenregistrierung ist langwierig", so die Autoren weiter.
Als zusätzliches Problem erwähnen sie die vielen fremden DNA-Fragmente, die während des Prozesses der gentechnischen Veränderung ungewollt in die genomeditierten Pflanzenzellen gelangen. Diese können in der marktreifen Pflanze verbleiben. Das wird zum Problem, wenn die Pflanze als "transgenfrei" angepriesen wird, was eine der häufigsten Behauptungen zugunsten von genomeditierten Pflanzen ist und ein Hauptargument für die Ausnahme von den bestehenden GVO-Vorschriften. Die Identifizierung und Entfernung dieser Fragmente ist kostspielig. Selbst nach mehreren Rückkreuzungsrunden, die durch genomische Analyseinstrumente mit hohem Durchsatz unterstützt werden, so die Autoren, kann "die Abwesenheit von Fremd-DNA nicht vollständig bestätigt werden".
Bearbeitung einzelner Gene und dominante Mutationen erforderlich
Die argentinischen Forschenden stellen auch fest, dass der Einbau mehrerer Genkopien in Pflanzen kostspielig sein kann. Daher raten sie, dass man nur ein einziges Gen verändert, um die Produktion von kommerziell nutzbaren bearbeiteten Sorten zu beschleunigen. Ausserdem würden sich wichtige Nutzpflanzen dagegen «wehren», mit genetisch «rezessiven» (nicht dominanten) Merkmalen ausgestattet zu werden. Entwickler von gentechnisch veränderten Pflanzen sollten sich daher auf dominante Mutationen konzentrieren.
In Anbetracht der obigen Liste technischer Probleme mit der Genomeditierung von Nutzpflanzen fragt GMWatch: Warum haben die Wissenschaftler, welche die britische Regierung und die EU-Kommission bei ihrer GVO-Deregulierungsagenda beraten haben, es versäumt, auf diese warnenden Fakten hinzuweisen? Warum haben sie stattdessen das Bild eines ungehinderten landwirtschaftlichen Fortschritts gezeichnet, wenn nur diese lästigen GVO-Vorschriften abgeschafft würden?
"Gebt uns euer Geld"
Die Autoren konstatieren, dass die GVO-Pflanzen der ersten Generation von grossen Unternehmen entwickelt wurden, deren hohe Investitionen durch ebenso hohe Gewinne gerechtfertigt waren. Bei der neuen Gentechnik gäbe es jedoch keine einfachen Merkmale, die grosse Gewinne versprechen. Deshalb würden sich Züchtungsunternehmen lieber auf «konventionelle Merkmale» konzentrieren, die in jedem Land als nicht-transgene Merkmale akzeptiert werden.
In der Zwischenzeit würden Forschende zwar zahlreiche andere editierte Merkmale mit diversen Zwecken erzeugen, ohne jedoch die möglichen nachgelagerten Beschränkungen technischer Natur zu berücksichtigen. Infolge dieser Probleme mangle es an Investitionen in die Genomeditierung von Nutzpflanzen, so die Autoren weiter. Sie schreiben, diese Lücke könne durch öffentliche Gelder geschlossen werden, um "öffentlich-private Projekte mit hoher technischer Machbarkeit zu fördern".
Die Autoren würden aber nicht erklären, warum die Öffentlichkeit die Risiken tragen soll, die die Industrie nicht eingehen will, um ein bereits scheiterndes Projekt zu stützen, vor allem, wenn alle Gewinne aus geistigen Eigentumsrechten und Lizenzgebühren der Industrie zufallen, kritisiert GMWatch. Der Öffentlichkeit werde weisgemacht, dass diese Technologie eine so sichere Sache sei, dass die Regierungen nur den Fuss von der Regulierungsbremse nehmen müssten, damit sie schnell bemerkenswerte Ergebnisse liefern könne – einschliesslich einer raschen Lösung der derzeitigen Krise bei den Lebensmittelpreisen. Plötzlich werde jedoch postuliert, die technischen Schwierigkeiten seien so gross, dass die Öffentlichkeit einspringen und die Technologie stark subventionieren müsse – oder sie werde nicht weit kommen, so GMWatch weiter.
Die Empfehlung der Autoren, dass sich die Anwendung der neuen Gentechnik auf dominante Eigenschaften eines einzelnen Gens (z. B. Herbizidtoleranz) konzentrieren soll, habe den Beigeschmack der Verzweiflung, um eine bereits gescheiterte Technologie zu retten, kommentiert auch der britische Molekulargenetiker, Dr. Michael Antoniou. Mit solchen monogenen Eigenschaften liessen sich jedoch keine für Klima- und Nachhaltigkeitsziele relevanten Pflanzen herstellen.
Denn solche Eigenschaften haben einen komplexen genetischen Hintergrund, welcher sich auch mit der neuen Gentechnik nicht nachgeahmt werden könne. Versuche in diese Richtung seien zum Scheitern verurteilt, ganz gleich, wie viel Geld man in diese Projekte stecke, erklärt Antoniou weiter.
Hoffnung statt Erfahrung
In ihrer Schlussfolgerung stellen die Autoren fest, dass "die Pflanzengentechnik zwar erhebliche wirtschaftliche Vorteile bieten kann", dass aber noch "viele Herausforderungen zu bewältigen sind, um transgene Prototypen in kommerziell nutzbare gentechnisch veränderte Nutzpflanzen zu verwandeln". Trotzdem halten sie an dem Glauben fest, dass eine neue Generation von genomeditierten Nutzpflanzen "enorme wirtschaftliche und ökologische Vorteile angesichts der globalen Umweltveränderungen" bieten wird.
GMWatch bewertet diese Schlussfolgerung als einen unbeholfenen Versuch, den vierzigjährigen relativen Misserfolg der ersten Generation gentechnisch veränderter Nutzpflanzen zu erklären. Die neue Studie – trotz der Versuche der Autoren, das Image der Gentechnik zu retten – biete eine wirksame Immunisierung gegen eine weitere Vergötterung Argentiniens und anderer Länder, die sich über die Klippe der GVO-Deregulierung gestürzt haben, schreibt GMWatch angesichts der umkämpften Deregulierungsplänen in UK und in der EU.
- Zum SAG-Factsheet: "Wie schnell ist CRISPR tatsächlich?"
- Zum vollständigen Artikel bei GMWatch