220509Beeinflussung
Bild: Shutterstock

Seit seiner Gründung 2008 setzt sich das in München ansässige Institut Testbiotech für eine unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie ein. «Wir stellen von der Gentechnik-Industrie unabhängige, wissenschaftliche Expertise bereit und helfen so, die Entscheidungskompetenz von Politik und Gesellschaft zu stärken», schreibt Testbiotech. Finanziert wird die gemeinnützige Organisation über private Spenden, Projekt- und Stiftungsgelder. Doch die kritische Auseineinandersetzung mit den Risiken der Biotechnologie missfällt vielen, denen eine seriöse Debatte um die Risiken der Neuen Gentechnik unbequem ist, da sie gegen ihre Interessen sein könnte.

Jüngstes Beispiel sind Versuche, das Ergebnis einer Testbiotech-Umfrage zu Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen zu verfälschen. Unter anderem riefen verschiedene AkteurInnen in ihren Netzwerken dazu auf, gleich mehrfach abzustimmen. Die Umfrage, die im März gestartet wurde, richtete sich an die AbonnentInnen des Newsletters von Testbiotech. Der Hintergrund: Mögliche Vorteile der Neuen Gentechnik – u.a. in Zusammenhang mit dem Klimawandel – werden zwar immer wieder betont, sie werden aber in der Regel nicht überprüft. Ziel der Umfrage war nicht, ein repräsentatives Meinungsbild zu erheben, sondern herauszufinden, wie die AbonnentInnen des Newsletters der unabhängigen Organisation einer möglichen Freisetzung von Gentechnik-Organismen gegenüberstehen, wenn deren Folgen objektiv und wissenschaftlich unabhängig überprüft würden.

Industrie versucht gentechkritischen Dialog zu beeinflussen

Nachdem die Umfrage über Dritte auf Twitter bekannt gemacht wurde, fand sie in den erwähnten Netzwerken grosses Interesse, verbreitete sich und auch die Anzahl der TeilnehmerInnen stieg stark an. Wie diverse AkteurInnen selbst angaben, wurde auch mehrfach abgestimmt. Das absehbare Ergebnis: Die Mehrheit der TeilnehmerInnen sprach sich für eine unbegrenzte Freisetzung der Gentechnik-Organismen aus. Eine parallel dazu per Brief durchgeführte Version der Umfrage bei BezieherInnen des Rundbriefes von Testbiotech zeigte dagegen eine klare Mehrheit gegen jegliche Freisetzungen. Etwa ein Drittel sprach sich für eine Berücksichtigung der systemischen Folgenabschätzung aus.

Testbiotech beobachtet seit Jahren, wie diverse AkteurInnen – speziell auf Twitter – versuchen, einen Austausch von Argumenten über die Risiken der neuen Gentechnik regelrecht zu sabotieren. Sowohl die Aktivitäten diverser Twitter-AktivistInnen als auch deren Organisation und Vernetzung erinnern an das sogenannte ‚Astroturfing‘. Darunter versteht man das künstliche Nachahmen von Bürgerbewegungen, die hinter den Kulissen von Unternehmen oder Lobbyorganisationen gesteuert oder finanziert werden.

In vielen Fällen seien die Hintergründe der AktivistInnen, die auch unter Pseudonymen bzw. anonymen Twitter-Accounts auftreten, unklar, schreibt Testbiotech. Es gebe aber auch sehr präsente und meinungsstarke Biotech-LobbyistInnen, die ihr Geld offiziell mit Lobbytätigkeiten für die Biotechindustrie verdienen.

Angriff auf die Moratoriumsverlängerung mit einseitiger Information

Wie mächtig das Lobbying dieser Branche ist, hat sich auch in der Schweiz anlässlich des Parlamentsentscheid zur Verlängerung des Gentechnikmoratoriums inklusive der Genomeditierung gezeigt. Just zwei Tage vor der Behandlung der Moratoriumsverlängerung erscheint eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gfs.bern zur Haltung der Schweizer Bevölkerung zur Gentechnik. Die Umfrage wurde im Auftrag von swiss-food.ch, einer Plattform, die von Syngenta und Bayer finanziert wird, durchgeführt. Es überraschte daher auch nicht, dass die Umfrage zum Schluss kam, die Schweizer Bevölkerung stehe der neuen Technik des Genomeditings wohlwollender gegenüber, als dies gemeinhin angenommen würde.

«Das Volk ist mutiger als die Politik» titelte der Tagesanzeiger seinen Artikel zur Studie. Wie fragwürdig das Setting der Umfrage war, wurde im Artikel nicht erwähnt. Kein Wort zu Risiken, zu Wissenslücken oder zum Stand der Verfügbarkeit solcher Pflanzen. Hingegen wurde den Befragten eine Auflistung von möglichen positiven Anwendungen aufgezählt, so zum Beispiel traditionelle Apfelsorten, die dank Genomeditierung resistent gegen Feuerbrand werden, Weizen, der weniger oft Mehltau bekommt und seltener mit Pestiziden gespritzt werden müsse, oder wenn die Technologie dazu führe, dass Kleinbauern in Entwicklungsländern weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen müssten. Unerwähnt blieb hingegen das Urteil des europäischen Gerichtshofes, das zum Schluss kommt, dass Genomediterung der Gentechnikregulierung unterstellt werden müsse, da eine «Geschichte der sicheren Anwendung» fehle. Auch über Studien, die zu anderen Ergebnissen kommen und eine mehrheitlich kritische Haltung der Konsumierenden gegenüber Gentechnik bei Lebensmitteln feststellten, wurde kein Wort verloren.

Doch nicht nur die Industrie, auch die Forschenden der Biotechnologiebranche hatten sich vor dem Entscheid zur Moratoriumsverlängerung mächtig ins Zeug gelegt und viel Geld in die mediale Verbreitung ihrer Botschaft gesteckt. Grosse Beachtung fand eine Studie von Angela Bearth, Sozialwissenschaftlerin am Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie der ETH Zürich, die ebenfalls eine positive Haltung der Bevölkerung gegenüber Genomeditierung festgestellt haben will. Es sei auschlaggebend, wie man die Leute frage, sagt sie dem Schweizerbauer. Ob sie den Befragten auch offengelegt hat, dass sie als Vizepräsidentin des Forums Genforschung der SCNAT ein sehr persönliches Interesse an einer positiven Wahrnehmung hat, ist nicht bekannt.

Bereits zuvor hatten Forschende der Biotechnologie mit einer PR Kampagne versucht, eine umfassende Reglementierung der Genomeditierung mit der Online Plattform Science-based.ch zu verhindern, ohne näher zu deklarieren, wer diese finanziert hatte. Diese Information wäre allerdings für die Konsumierenden für eine Einordnung der Argumente dringend notwendig.