Koexistenz

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Bild: Clipdealer

Als Koexistenz bezeichnet man die Möglichkeit, dass verschiedene landwirtschaftliche Konzepte wie der Gentech-Anbau, die konventionelle Landwirtschaft, der IP-Anbau oder der biologische Landbau nebeneinander praktiziert werden können, ohne dass die Richtlinien der einzelnen landwirtschaftlichen Anbaumethoden verletzt werden. Da verschiedene Anbaumethoden in der Landwirtschaft naturgemäss nicht voneinander getrennt praktiziert werden, sind geeignete Massnahmen für Anbau, Ernte, Transport, Lagerung und Verarbeitung erforderlich. Sie sollen zufällige Vermischungen von gentechnisch veränderten und nicht veränderten Kulturen verhindern, die durch Verunreinigung von Saatgut, durch Pollenflug, Durchwuchs oder durch unsachgemässe Ernte- bzw. Lagerpraktiken verursacht werden können.

Eine Koexistenz zwischen GVO-Pflanzungen und konventioneller sowie biologischer Landwirtschaft ist für zahlreiche Kulturpflanzen praktisch nicht möglich, wenn gleichzeitig das Recht auf Wahlfreiheit garantiert werden soll. Die Verunreinigung mit GVO-Produkten kann mit grossem Aufwand zwar verringert, aber nicht vollständig verhindert werden. Die Schweiz ist in der komfortablen Lage, noch eine wirkliche Wahl treffen zu können, da noch keine genmanipulierten Pflanzen in die Umwelt kommerziell angebaut wurden. Die weitaus sicherste, einfachste und billigste Möglichkeit, das Problem der Kontamination gar nicht erst entstehen zu lassen, ist der Verzicht auf Gentech-Pflanzen in die Landwirtschaft.

Die Unterschiede bei der konkreten Ausgestaltung nationaler Koexistenzregelungen in der EU sind sehr gross. Weltweit gibt es bereits hunderte von Kontaminationsfällen – durch Koexistenzprobleme, Fehler in der Warenflusstrennung oder durch Verwechslung von Saatgut.

180427mais bearbeitet 1In Europa wird nur in Spanien grossflächig gentechnisch veränderter Mais angebaut. Bild: fotolia

Spanien ist in der EU das Hauptanbaugebiet für Gentechmais. Der angebaute Gentechnik-Mais (MON810) produziert ein Insektengift. In Spanien breitet sich seit einigen Jahren ein Hybrid zwischen einem Teosinte aus Mexico und einer nicht näher identifizierbaren Landrasse des Mais. Teosinte wird als Ursprungspflanze des gezüchteten Mais angesehen. Wissenschaftler der ETH Zürich zeigten im Jahr 2017, dass es bei der in Spanien vorkommenden Teosinte-Unterart bereits in der Vergangenheit zu einem Genaustausch mit Maispflanzen gekommen ist. Gemäss der Organisation Testbiotech besteht die Gefahr, dass so neue „Superunkräuter“ entstehen, die gegen Herbizide resistent sind und Insektengifte produzieren.

06.03.2015 | Koexistenz

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Eine Studie der Universität Bremen zeigt, dass Maispollen häufig mehrere hundert Meter weit fliegen. Der Rekordwert lag bei 4,5 Kilometern. Bild: Transgen

Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA will ihre Risikobewertung für den Anbau von gentechnisch verändertem Mais erneut überprüfen. Grund dafür ist die bisher umfassendste Studie über die Verbreitung von Maispollen in der Umwelt. Forscher aus Bremen und Bonn hatten Daten zur Ausbreitung von Maispollen über einen Zeitraum von zehn Jahren ausgewertet und ihre Ergebnisse 2014 veröffentlicht. Derzeit sieht die EFSA aufgrund eines Computermodells beim Anbau von Gentechnik-Mais Sicherheitsabstände zu Naturschutzgebieten von nur 20 bis 30 Metern vor. Die neue Studie zeigt aber, dass der Pollen oftmals mehrere Kilometer weit fliegt. Um die Raupen geschützter Schmetterlinge vor der Aufnahme des insektengiftigen Pollen zu schützen, empfehlen die Wissenschaftler, die Abstände auf einen Bereich auszuweiten, der sich im Rahmen von Kilometern statt Metern bewegt. Nach ihrer Ansicht müssen die Sicherheitsabstände und die möglichen Auswirkungen auf sogenannte Nichtzielorganismen grundsätzlich neu bewertet werden.

02.05.2013 | Koexistenz

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Zu teuer, zu aufwändig, nicht erwünscht: Koexistenz ist in der Schweiz nicht praktikabel.  Bild: greenpeace

Gentechfreie Zonen werden von Gegnern und Befürwortern von Gentech-Pflanzen abgelehnt. Dies ein erstes Fazit am Ende der Vernehmlassungsfrist zur Regelung der Koexistenz in der Schweiz. Mehr als 70 Stellungnahmen sind beim Bund eingegangen. Konsumenten- und Landwirtschaftsorganisationen, Umweltverbände, Grüne Partei und SP lehnen die vorgeschlagene Koexistenz-Regelung ab. Sie alle fordern eine gentechnikfreie Schweiz. Aber auch Wirtschaftsverbände erachten verordnete Gentechfrei-Zonen als problematisch. „Für gewisse Kreise ist es verfrüht, gesetzgeberisch tätig zu werden, bevor der vom Parlament beantragte Bericht über Kosten und Nutzen von GVO für die Landwirtschaft vorliegt,“ schreibt das Bundesamt für Umwelt (BAFU) in einer ersten Stellungnahme. Kritisiert werde überdies die mangelnde Durchführbarkeit der Massnahmen, die möglichen wirtschaftlichen Folgen und der hohe administrative Aufwand, der mit dem Vollzug verbunden wäre. Aus diesem Grund äussern sich auch viele Kantone ablehnend. Sie fürchten einen grossen Administrations- und Kontrollaufwand, verbunden mit hohen Kosten. Beim Bund heisst es, man werde nun die eingegangenen Stellungnahmen vertieft analysieren und in einem Bericht erörtern. Ausserdem werde geprüft, wie in Anbetracht der Stellungnahmen weiter vorzugehen sei und wie namentlich die vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen integriert werden sollen. Am Schluss dieses Verfahrens wird der Bundesrat sich äussern und dem Parlament einen Vorschlag unterbreiten. Die Grüne Partei hat bereits angekündigt, dass sie gegen eine Koexistenz-Regelung das Referendum ergreifen würde.

 

07.05.2013 | Koexistenz

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Für die Kontrolle des Saatgutes und der Abstände würden bei den Kantonen zusätzliche Ressourcen benötigt.
Bild ag.ch

Mit den vorgeschlagenen Regelungen würden GVO-Produzenten die unternehmerische Freiheit der benachbarten Produzenten mit konventioneller Landwirtschaft und Biolandbau einschränken, schreibt der Kanton Aargau in seiner Stellungnahme zur Koexistenz-Vorlage. Um die Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten zu gewährleisten, seien zudem neben der Selbstkontrolle der Landwirte auch komplexe behördliche Kontrollen zur Warenflusstrennung vom Saatgut bis hin zur Verarbeitung notwendig. Diese Kontrollen würden zu hohen Kosten für Landwirte, Behörden und Konsumenten führen. Der hohe Aufwand zur Gewährleistung der Koexistenz und der Wahlfreiheit der Konsumenten stehe in keinem günstigen Verhältnis zum möglichen Ertrag durch Herbizidresistenz oder Schädlingsresistenz von GVO-Kulturpflanzen, heisst es weiter. Gestützt auf diese Erwägungen weißt der Kanton Aargau die Vorlage in der vorliegenden Form zurück. Ausserdem müsse die gesetzliche Grundlage geschaffen werden, dass die ganze Schweiz als gentechnikfreies Gebiet bezeichnet werden könne.

02.05.2013  Koexistenz

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Die gesamte Schweiz sollte als gentechfreies Gebiet anerkannt werden dürfen.  Bild: greenpeace

Junge Schweizer Bauern möchten keine Gentech-Pflanzen in der Schweiz. Sie lehnen die vorgeschlagene Koexistenz-Regelung des Bunderates ab. Für die Junglandwirtekommission (JULA) ist klar: Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Koexistenz-Regelungen verursachen einen hohen administrativen Aufwand und zusätzliche Kosten für die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft. Dies zumindest solange wie keine GV-Sorten auf dem Markt sind, die einen wirtschaftlichen Mehrwert bringen und vom Markt akzeptiert werden.
Als unverständlich erachtet die JULA ausserdem die bundesrätliche Vorschrift, dass jeder Kanton eine angemessene Fläche mit GVO-Anbau aufweisen muss. Die JULA fordert, die Koexistenz-Regelung müsse so ausgestaltet werden, dass die gesamte Schweiz als GVO-freies Gebiet anerkannt werden dürfe, falls dies gewünscht werde.

02.05.2013 | Koexistenz

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Ein gentechnikfreier Gürtel von 1000 Metern um Naturschutzgebiete soll gesetzlich verankert werden.  Bild: commons.wikimedia.org

Alexander Bonde, Verbraucherminister des Landes Baden-Württemberg verspricht: „Wir werden den Schutz von Naturschutzgebieten gesetzlich festschreiben.“ Die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher im Rot-Grün regierten Bundesland wolle keine Gentechnik auf ihrem Teller. Die Landesregierung habe bereits umfassende Maßnahmen ergriffen, um Agro-Gentechnik soweit wie möglich auszusperren, sagte der Minister am vergangenen Sonntag in Stuttgart. So will das Land bei der Überarbeitung des Naturschutzgesetzes die wertvollen Naturschutzgebiete vor möglicherweise unkontrollierbaren Einflüssen durch gentechnisch veränderte Pflanzen schützen. Dazu sei ein gentechnikfreier Gürtel um die Naturschutzgebiete geplant, der mehr als 1.000 Meter breit sein soll, kündigte Bonde an. „Dadurch erreichen wir für gefährdete Tier- und Pflanzenarten, die größtenteils als vom Aussterben bedrohte Arten auf der Roten Liste stehen, ein besonders hohes Schutzniveau“. Die genaue Breite des Schutzgürtels werde in Abstimmung mit den beteiligten Verbänden festgelegt.

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